DIOGENES:
Mein lieber
Pollux, wenn du in die Oberwelt hinaufsteigst — und morgen, denke ich,
trifft dich die Reihe, wieder lebendig zu werden —, so hätte ich dir
einen Auftrag an Menippus den Hund mitzugeben, den du entweder im Kraneon
zu Korinth oder zu Athen im Lyceon finden wirst, wo er sich über die
Zänkereien der Philosophen lustig macht. Sag ihm: Diogenes befehle ihm,
wenn er die Torheiten, die auf der Erde vorgehen, genug belacht habe,
hierherzukommen, wo er viel mehr zu lachen finden werde. Denn dort sei er
doch öfters unentschlossen, ob er lachen oder weinen wolle, und es falle
ihm doch oft ein, wer weiß wie es nach diesem Leben geht?
Hier
aber werde er mit vollständiger Kenntnis der Sache lachen und gar nicht
wieder aufhören können (wie jetzt bei mir der Fall ist), sonderlich wenn
er sehen werde, was für eine armselige Figur die Reichen, die Satrapen
und die Könige hier machen, wie man sie nur noch an ihrem Geheul
unterscheiden könne und wie wehmütig und niederträchtig sie sich
gebärden, wenn sie sich ihres Zustandes da oben erinnern. Sag ihm das,
Pollux; und er möchte nicht vergessen, seine Taschen mit Wolfsbohnen
anzufüllen, und wenn er etwa im Herabkommen ein Hekatesmahl oder
Reinigungsei auf einem Scheideweg finde, soll er es gleichfalls zu sich
stecken.
POLLUX:
Ich will nicht ermangeln, Diogenes. Aber, damit ich ihn nicht etwa
verfehle, wie sieht er aus?
DIOGENES:
Alt, kahlköpfig, trägt einen abgeschabten Mantel, der gegen alle Winde
Öffnungen in Menge hat und mit Lappen von allen möglichen Farben
geflickt ist; er lacht unaufhörlich, und meistens sind die Windbeutel,
die Philosophen, der Gegenstand seines Spottes.
POLLUX:
Mittelst dieser Beschreibung werd‘ ich ihn leicht finden.
DIOGENES:
Dürft‘ ich dich auch noch mit einem kleinen Auftrag an die besagten
Philosophen selbst beschweren?
POLLUX:
Herzlich
gerne, sage nur!
DIOGENES:
Um es kurz
zusammenzufassen: leg es ihnen recht nahe, daß sie doch endlich einmal
aufhören sollen, die Zeit mit Possen zu verderben, sich über die
Universalia zu zanken,
einander Hörner aufzupflanzen, Krokodile zu machen und junge Leute auf
dergleichen
läppische Spitzfindigkeiten einen Wert legen zu lehren.
POLLUX:
Aber sie
werden sagen, ich sei ein ungelehrter Dummkopf, daß ich mir herausnehme,
ihre Weisheit zu hofmeistern.
DIOGENES:
So sage du
ihnen in meinem Namen, sie sollen - an den Galgen gehen!
POLLUX:
Ich will alles
getreulich ausrichten, Diogenes.
DIOGENES:
Auch an die
Reichen, liebes Polluxchcn, hätte ich dir noch ein paar Worte aufzugeben.
Sag ihnen in meinem Namen: „Ihr Narren, wofür hütet ihr euer Gold?
Was plagt ihr
euch mit Ausrechnung eurer Zinsen und wozu häuft ihr Tausende
auf Tausende an, da ihr doch
in kurzem mit einem einzigen Obolus im Munde ins Reich der Toten wandern
müßt?"
POLLUX:
Gut! Es soll
ihnen gesagt werden.
DIOGENES:
Und den
Schönen und Starken, dem Megillus von Korinth und dem Ringer Damoxenus
sage: es gebe bei uns weder gelbes Haar noch schwarze blitzende Augen
noch blühende
Gesichtsfarbe noch straffe Sehnen und breite Schultern mehr, sondern
nichts als kahle
Schädel, die einander der Schönheit halben nichts vorzuwerfen haben.
POLLUX:
Auch diesen
Auftrag will ich mich nicht verdrießen lassen.
DIOGENES:
Und den Armen,
unter denen so viele sich gar nicht dareinfinden können und immer
über ihre Dürftigkeit wehklagen, sage, sie sollen dem Winseln und
Heulen ein Ende machen,
und erzähle ihnen, wie hier alle gleiches Standes sind, und sie würden
sehen, daß die dortigen
Reichen bei uns hier keine Vorzüge haben. Und deine Lacedämonier
schilt, wenn du willst,
in meinem Namen aus, daß sie nicht mehr sind, was sie ehemals
waren.
POLLUX:
Nichts gegen
die Lacedämonier, Diogenes, das leid’ ich nicht! Was du mir an die
andern
aufgetragen hast, das will ich ihnen hinterbringen.
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