- Da Gottes
Willen nicht mein Willen,
-
Wie kann,
was ich will, sich zu Recht erfüllen?
-
Wenn alles
recht ist, was er wollte,
-
Muß
ja doch Unrecht sein mein eigner Willen.
-
- O
komm, Geliebte, komm, es sinkt die Nacht,
- Verscheuche
mir durch deiner Schönheit Pracht
- Des
Zweifels Dunkel! Nimm den Krug und trink,
- Eh
man aus unserm Staube Krüge macht.
-
-
Um Dogmen
und Satzungen streiten die einen,
-
die anderen
um Glauben oder Verneinen.
-
Wer sind
nun die, denen die Wahrheit sich zeigt?
-
Die Antwort
ertönt: sie zeigt sich keinem.
-
-
Gestern zerschlug ich
meinen Krug mit Wein
-
In meiner Trunkenheit an
einem Stein.
-
Da sprach des Kruges
Scherbe: "Wie du bist,
- War
ich, und wie ich bin, wirst du einst sein."
-
-
O starrer
Rechtsgelehrter, unsere Arbeit ist besser als deine,
-
trotz unserer
Trunkenheit sind wir nüchterner als du:
-
Du trinkst
Menschenblut, wir das des Weins,
-
gib's zu
- wer von uns ist blutdürstiger?
-
-
Da nun
einmal das Glück den meidet, der Verstand hat,
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Und da
man Toren nur im Glücke stets gekannt hat,
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So trink,
was den Verstand benimmt, ob dann
-
Das Glück
nicht Sympathie mit deinem Unverstand hat.
-
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Die ihre
Lust nur stets gesucht im Wein
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Und die
gegrübelt nur nach Schein und Sein,
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Sie alle
fanden der Wahrheit Faden nicht,
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Redeten
wirr und schliefen schließlich ein.
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-
Was hab
ich denn von all des Lebens Plagen? - Nichts!
-
Von aller
meiner Müh davongetragen? - Nichts!
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Was nützt
mir, das ein Licht ich war, wenn ich verbrannt?
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Was nützt
das Glas Dschemschids, wenn doch zerschlagen? - Nichts!
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-
Heute nacht
werde ich ein Weinfaß aufstellen,
-
mich mit
zwei Weinbechern versorgen:
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Zuerst
werde ich mich von Verstand und Glaubensbekenntnis scheiden,
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dann vermähle
ich mich mit der Tochter der Rebe.
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-
Heiter
zu sein und Wein zu trinken, ist meine Regel,
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frei zu
sein von Glauben und Unglauben meine Religion:
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Ich fragte
die Braut des Schicksals, was ihre Mitgift sei,
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'Dein frohes Herz', antwortete sie.
-
Omar
Chajjam