Fragmentarisches über die Revolte



 

Ich rede am liebsten mit Kindern; denn von ihnen darf man doch hoffen, daß sie einmal Vernunft-Wesen werden; die aber, die es geworden sind -- herrjemine!     - S. Kierkegaard -

Gespräche über den Tod

Gilgamesch und der Philosoph

Am Morgen fielen Tränen vom Himmel, lasst uns sie trinken zum Frühstück. 

TEIL I 

zum Teil II

Auf dem Weg zum Götterberg begegnete Gilgamesch einem Philosophen, der viele Qualen erduldete in seinem Leben. "Ich möchte das Reich der Toten betreten", sagte dieser. "Denn, meine Seele ist wie das Tote Meer, das kein Vogel überfliegen kann, mitten im Flug zieht es ihn nieder in Untergang und Verderben. Mein Leben ist ein Tod." 

Da sprach Gilgamesch zu ihm, zu dem Philosophen: "Woran fehlt es dir? Was soll ich dir geben? Hast du kein Brot oder andere Nahrung? Götterspeise und Göttertrank? Was kann ich dir geben, trauriger Greis, seltsamer Wandrer, daß du glücklich zur Heimat gelangst? Ich bin Gilgamesch, ein Halbgott möchte dir ein Geheimnis verraten, von einem Wunderkraut will ich dir Kunde geben, das einst mir Utnapischtim schenkte. Hier habe ich das Kraut, es ist ein Kraut, das Leben verheißt. Der Name der Pflanze ist 'Als Greis wird der Mensch wieder Jung'."

Da tat der Philosoph seinen Mund auf und sprach zu Gilgamesch: "Etwas Seltsames ist mir widerfahren. Ich ward entzückt in den siebenten Himmel. Dort saßen alle Götter versammelt. Aus besonderer Gnade wurde mir die Gunst gewährt, einen Wunsch auszusprechen. Willst du, sagte Merkur, willst du Jugend oder Schönheit, oder Macht, oder ein langes Leben, oder das schönste Mädchen oder irgendeine andere von den vielen Herrlichkeiten, die wir in der Kramkiste haben, so wähle, jedoch nur eines. Ich war einen Augenblick unschlüssig; dann wandte ich mich mit folgenden Worten an die Götter: Hochverehrte Zeitgenossen, eines wähle ich, dass ich immer die Lacher auf meiner Seite haben möge. Keiner der Götter sagte ein Wort, aber sie fingen alle an zu lachen."

Da lachte auch Gilgamesch und sprach also: "Kannst du jetzt, nachdem du die Götter auf deiner Seite hast, die Langeweile, die Wurzel des Übels von deinem Leben endgültig fern halten?"

"So will ich mich hinsetzen alle Tage und weinen", sprach der Greis, "denn auch die Götter sind von diesem Laster befallen, sie haben die Langeweile erschaffen." Da legte er sich nieder zu schlafen für immer und ewig, auf dem Weg zum Götterberg. "Vernichten will ich die Geister des Todes!", sagte einst Gilgamesch als Enkidu, sein Freund starb. Doch jetzt, ja jetzt vernahm Gilgamesch die letzte Wehklage des Philosophen, ohne ein einziges Wort zu verlieren. Er dachte nur daran, dass Götter und Menschen verschiedenes Los haben und daran, dass ihre Qual die Gleiche ist: Die unerträgliche Qual des Daseins.

zum Teil II


 
 
 

Die Vernunft: Was ist der Sinn des Lebens?

Die Revolte: Alles Seiende ist ein Gegenstand meiner Ekstase! In der Ekstase ziehe ich mein letztes Kleid aus. 

Die Vernunft:Was ist die Wahrheit? 

Die Revolte: Deine Abwesenheit!
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Die Revolte ist die Seinsweise der individuellen Kreativität: Im Zentrum der Revolte wird das Dasein auf sich selbst zurückgeworfen und der Revoltierende erlebt daher die Intensität des Daseins.
 
 
 
 
 
 

Wie kann ich Ekstase erleben, wenn ich spreche. Wie kann ich sprechen, wenn ich tanze. Nietzsche ist ein Denker, der tanzt.

 zur Übersichtsseite

 

Der Ursprung der Revolte ist nicht im Politischen zu suchen, sondern nur hier: in dieser phantastischen, enthusiastischen Verschwendung der Überfülle menschlicher Natur. Wie aber die Selbstverschwendung der menschlichen Natur zurückverweist auf den Todesenthusiasmus (die überwundene Todesdrohung), so auch die Selbstverschwendung in der Revolte. Die Revolte ist immer Todesrevolte, denn es ist immer nur der Tod, der das Leben revoltiert.

- Gerd Bergfleth -

 

Camus: Ich empöre mich, also sind wir. Wenn die Menschen sich nicht auf einen gemeinsamen Wert beziehen können, der von allen in jedem anerkannt wird, ist der Mensch dem Menschen unverständlich.

Ich: Wenn die Revolte das Sammelsurium von Imperativen wie Einheit, Moral und Vernunft nicht überwindet, dann verliert sie ihren "Wert" als Revolte. Darüber hinaus: Woher weiß man, dass alle Menschen sich miteinander verständigen wollen?

Camus: Der Sklave, der sich gegen seinen Herrn erhebt, denkt nicht daran, diesen Herrn als Menschen zu leugnen. Er leugnet ihn als Herrn.

Ich: Revolte ist nicht eine Frage eines Aufstands des Sklaven für Freiheit, für das Gute, für die Gerechtigkeit usw. Camus legitimiert den Niedergang der Revolte, in dem er die Revolte dem Dienst der Organisation, dem Gehorsam, der Institutionalisierung und endlich der Moral unterwirft.

Camus: Ich rebelliere, also sind wir.

Ich: Mit anderen Worten: Der Einzelne wird aus seinen Wurzeln zerrissen und der Gemeinschaft ausgeliefert. Die Rechtfertigung der Revolte liegt also in der Gesellschaft; erst in ihr, mit ihr wird das Dasein des Einzelnen anerkannt. Um zu sein, muss der Mensch sich an die Gesellschaft anschließen. Erst ein Zusammenschluss kennzeichnet das Sein und legitimiert den Aufstand zugleich. Der Einzelne kann und darf gar nicht rebellieren, seine Revolte bedarf die Zustimmung der Gemeinschaft. Das versteht Camus von Revolte. Die Angst des Einzelnen findet in der Gruppe einen mütterlichen Schoß. Die Kälte des realen Grauens rückt ihn regelrecht dahin. Diese Angst ist unter anderem die Angst vor dem Schweigen, in dem das Sein sich verbirgt. Das Schweigen ist die Tat gegen das Reale und es ist zärtlich, es ist eine stille Revolte. Die Sprache, sagt Artaud, ist lediglich eine Überlieferung, deren Sinn nicht darin liegt mich zu verständigen, ich benutze sie, "weil ich sie eben nicht gebrauche. In Wirklichkeit tue ich nichts anderes, als zu schweigen und Prügel zu verabreichen. Was das Übrige betrifft, so spreche ich deshalb, weil das vögelt, ich meine: weil die universelle Unzucht weitergeht, die mich vergessen läßt, nicht zu denken."

Camus ist ein Revolutionär, ein Institutionalist; er verkündet uns die ewige christliche Lehre in einem etwas neuen Gewand. Die Revolte schließt er, der Mann der Kirche, an die Revolution und diese an die christliche Lehre.  Camus’ Revolte mündet in die Revolution. Der Aufstand des Sklaven gegen seinen Herrn rechtfertigt sein Handeln. Und Handeln wird zur Freiheit, kündigt der Moralist an. Der Zweck heiligt die Mittel. War es jemals anders? Was aber rechtfertigt den Zweck? Die Moral. Camus’ Revolte bleibt der Moral verhaftet. Der Krieg der Völker, der seine Tat aus dem Wahn schöpft, wird dadurch gerechtfertigt.  Deshalb kann Stirner rebellisch das an preußischem Gedankengut erkrankte, lustfeindliche "deutsche Volk, die tausendjährige Tyrannin zu Grabe tragen", was bei Camus auf Ablehnung stieß. Aber auch Stirners dieser Gedanke ist nur ein einziger Moment, eine Situation und keine strategisch-taktisch orientierter moralischer Aufstand. Er ist viel mehr ein Zeichen der Wut, des verhassten Augenblickes, der im nächsten Moment in Gleichgültigkeit oder in Spott oder im kühnen Lachen zu finden sein wird. "Wenn schon philosophiert sein muss, dann Tag um Tag, heute ohne Rücksicht darauf, was man gestern gesagt hat (...) Die Philosophie muss irre sein, wie unser ganzes Leben" (Lev. I. Schestov). Stirner hat keine Theorien aufgestellt, die ewig gelten sollten. Seine Revolte stellt sich gegen logische Dogmen, was aber danach wird, ist nicht der Gegenstand der Revolte. Sie ist stets unterwegs.


Revolte ist kein Ausdruck einer Ordnung, sie erlebt Intensität, die ein System nicht impliziert. Die auf Vernunft basierenden Ordnungen haben sich bisher als relativ unbrauchbar gezeigt. Es gilt, ihre Grenzen zu durchbrechen. Die Logik besitzt keine Seele. Die Seele ist der Entstehungsort der Revolte. Revolte zielt ferner nicht nur auf Zerstörung, sie bringt auch Befreiung. Und sie ist keinesfalls einseitig. Deshalb finden wir weder im Christentum, im Nationalen noch in der Politik etwas rebellisches. Dort ist der Mensch dem Abgrund seiner Kreativität und seines Schaffens nah. In der Linken sowie in der Rechten der politisch-kulturellen Gesellschaft sehen wir lediglich den Ekel vor dem eigenen Ich.

"Es ist ein Abenteuer aller", fügt Camus der Revolte betreffend hinzu. Was allen gehört, kann jedoch kein Abenteuer mehr sein. Bestenfalls kann ein solches nur eine strukturierte Demonstration darstellen. Und ein solches "Abenteuer" signalisiert einen Rausch von Tyrannei. Und in den sogenannten Zeiten der neuen Weltordnung finden wir dieses Abenteuer unter anderem in Form von Marlboro Lights. Ich rebelliere, also sind wir. Was für ein trostloses Zusammensein!

In seinem christlichen Lehrbuch (Schuld und Sühne) wagt Dostojewski, Menschen in zwei zu teilen; die Herren und die Würmer. Letztendlich lässt er sich von den Würmern zerfressen. Ich sehe darin nichts Rebellisches. Die Revolte liegt jenseits der Würmer und der Herren. Raskolnikow unternimmt im Tiefpunkt seiner christlich-existentialistischen Krise etwas, wozu er nicht den freien Mut hat, etwas, was ihn in seiner Krise zum Stillstand bringt, und findet letztlich im Schoß der Mutter-Maria seinen Frieden. Geplagt und gequellt von christlichem Gewissen findet er Erlösung in der Hölle, die er als Paradies empfindet: Denn keine Strafe ist Qual genug für einen Christen. Gott lebt!


Vivaldi

Begierde erlebt die Wärme und Kälte in Einem: Erkennst Du die Wärme in den weißen Schneeflocken? Das ist Vivaldi. Vivaldi, der das Stille, das Heftige, die Leidenschaft, das Leid und die Freude zusammenzuschweißen weiß. Tiefe und Höhe gehören zu seinem Innersten. In der Tiefe ist er ein Mystiker, in der Höhe lässt er seinen geistigen-musikalischen Tanz mit der modernen Form der Rockmusik verbinden. Diese Verbindung hat praktisch noch nicht stattgefunden. Es gibt lediglich Experimente, worin Rock und klassische Musik miteinander verbunden werden (von Deep Purple bis Metallica), doch das eigentliche Zusammenwachsen dieser beiden Richtungen ist noch in einer fernen Zukunft? John Cage hat uns nicht selten an das rebellische Chaos erinnert. Chaos und Kosmos sind Geschwister. Vivaldi und Heavy-Metal ebenfalls. Vivaldi besitzt vielleicht noch keine ganze Revolte; aber eine Verschmelzung Vivaldis mit Heavy-Metal - das wäre ein Werk der Vollkommenheit. Vivaldische Melancholie ist weniger Leidenschaft aber um so mehr Begierde.

éñá

 zur Übersichtsseite




 
 
 
 
Die 68er Bewegung ist ein Merkmal der Pseudorevolte, die keine seelische Intensität besitzt, deshalb hat sich das Urteil von Marcel Jouhandeau "Macht, dass ihr fortkommt, in zehn Jahren seid ihr alle Notare" bestätigen können.
 


 ***
 
 
 

"Nur die Maßlosigkeit des Verlangens und des Todes ermöglicht, die Wahrheit zu erreichen" (G. Bataille)
 
 

Batailles Berichte beschreiben ein Leben, das an das Unmögliche grenzt. Es gibt dort, wie auch im Einzigen keine Sünder, weil es keine Sünde gibt. Revolte ist grenzüberschreitend, im Rahmen des Möglichen kann sie wenig kreativ sein.
 
 

***




Das fremdprogrammierte Ich sitzt in den Schranken der Vernunft, in der es dem Wahnsinn ausgeliefert ist. Der Ekel und der Schrecken vermischen sich, es beginnt zu stinken und Topor setzt einen drauf: Er lacht. Und Artaud genießt es einen Papst, einen Gelehrten, einen Klostermönch, einen Pädagogen, eine Nonne usw. zu beschimpfen.
 
 

 

***

 

Haben die Anarchisten jemals die Anarchie verstanden? 

***

 

 

Ich bin die Ursache meiner selbst, weil ich die Welt bin. Ich bin die Welt, wenn ich ganz ich bin.

- Gustav Landauer -

 

 

 

 


 

O Du mein vielgequältes, deutsches Volk - was war deine Qual? Es war die Qual eines Gedankens, der keinen Leib sich erschaffen kann, die Qual eines spukenden Geistes, der vor jedem Hahnenschrei in nichts zerrint und doch nach Erlösung und Erfüllung schmachtet (...) Fahre wohl, Du Traum so vieler Millionen, fahre wohl, Du tausendjährige Tyrannin deiner Kinder!

- Max Stirner - 


  
Teil II

Gespräche über den Tod

Enkidu und der Philosoph 

Am Morgen fielen Tränen vom Himmel, lasst uns sie trinken zum Frühstück. 

Da liegt nun der große Philosoph, der nur Leid und Laster gekannt in seinem irdischen Leben. Der nichts gekannt außer Schmerz und Qual. "Ich liege hingestreckt, untätig", sagte er zu sich, als er noch halb aufrecht auf dem Boden stand: Schmerz, Leere und Sinnlosigkeit plagten sein Leib und seinen Geist. "Das einzige , was ich sehe, ist Leere, das einzige , wovon ich lebe, ist Leere, das einzige, worin ich mich bewege, ist Leere." Das waren seine Worte, die etwas zu sagen versuchten, aber nicht alles  kann man  mit Worten sagen.

"Ja, auch jetzt liegst du hingestreckt und untätig in der Leere", sagte eine Stimme sehr warm und herzlich; Enkidu stand plötzlich da, wie aus dem Himmel gefallen. Ja, das ist Enkidu, der Panther der Steppe, einziger Freund Gilgameschs; beide erschlugen und besiegten Chumbaba, das Ungeheuer. Nach dem Tod Enkidus fand Gilgamesch keine Freude mehr am Leben. Zurück wollte er seinen Freund, den Tod wollte er besiegen. Denn Enkidus Geschick lastete so schwer auf ihm. 

Nun, sprach Enkidu zu dem Philosophen: "Willkommen Weiser und leidender Greis, willkommen in der Ewigkeit, in der Welt der Geister, wo das Abenteuer aller Menschen einmal ein Ende findet. Auch du hast vergeblich das Leben gesucht, aber gefunden den Tod. Du hast die letzte Pforte gefunden, die Pforte des Todes." 

"Mache doch jeden Tag dir ein Freudenfest. Freue dich Tag und Nacht bei Harfen, Flöten und Tanz! Freue dich in den Armen des Weibes!", schallten diese Worte Sabitus in den Gedanken Enkidus. Doch, er behielt sie für sich, er wusste: Der Greis starb im Schmerz, im Kummer. Mit gebrochenem Herz und leidender Seele durchwanderte er sein Leben lang. Ein Abenteuer ohne Licht und Farbe, ohne Spiel und Liebe, das war sein Los. 

Enkidu betrachtete den Philosophen noch einmal und sah in ihm eine Leere, die vielleicht nur mit dem Wort Langeweile zu deuten war. Nichts aber auch gar nichts deutete auf sein Antlitz hin. Ein erloschenes Antlitz, das nie aufging. Jedes Lebewesen hat ein Antlitz, wenn es auf die Welt kommt. Aber der Philosoph hatte gar keins. 

So sagte Enkidu zu dem Weisen, zum Philosophen: "Als du in den siebenten Himmel kamst, hättest du die Götter um etwas bitten können, wie einst Utnapischtim es tat; du mögest die Unsterblichkeit. Und ein Wort hätte dazu gereicht, mit einem Wort hättest du alle Götter überreden können. Du Hättest Gott der Langeweile werden wollen, ja gewiss doch, dein Wunsch ginge gewiss in Erfüllung. Du bist wahrlich ein Gott der Langeweile. 

Einen Traum möchte ich dir mitteilen mein gequellter Freund, den ich einst Gilgamesch erzählte. So war es: 

Es brüllte der Himmel, Antwort bebte die Erde. Einem Starken stelle ich mich allein. Wie die Nacht war düster sein Antlitz, glotzend quoll das Auge hervor. Wie ein scheußlicher, zähnefletschender Wüstenhund sah er aus. Wie ein Geier hatte er mächtige Flügel und Krallen. Er packte mich fest, warf mich in einen Abgrund, ließ mich untertauchen in furchtbare Tiefe. Wie Bergesschwere lag es auf mir. Wie ein massiger Felsen erschien mir die Last meines Leibes." 

Enkidu machte eine kleine Pause und schaute den Philosophen mit  fragender Miene an und fuhr fort: "Er verwandelte meine Gestalt und machte vogelgleich meine Arme: 'Fliege nun tiefer hinab, tiefer hinab in die Wohnung der Finsternis, zu der Behausung Irkallas. Steige hinab in die Wohnung, aus der nicht wieder hinausgehn, die sie betreten. Geh hinab in den Weg, den man nie zurückgeht, dessen Leute das Licht entbehren! Erdstaub ist ihre Nahrung und Lehm ihre Speise. Bekleidet sind sie mit Flügeln und Federn wie Fledermäuse und Eulen. Das Licht sehen sie nicht, in Dunkelheit wohnen sie.' Kannst du mir folgen, mein Freund?", sagte Enkidu.

Der Greis holte tief Luft, schaute Enkidu direkt in die Augen. Er schien etwas zu sagen, atmete noch einmal mit seiner vollen Kraft und fand das wenige aber richtige Wort. Also sprach der Philosoph: "Der Abgrund, mein Freund, das ist mein Leben gewesen, mein wahres einziges Leben. Wie Bergesschwere und wie ein Felsen war die Last meines Leibes. Ich trug die ganze Erdmasse auf meiner Schulter. Was dir als Traum erschien, mein Freund, war mein wahres Leben."

Der Philosoph hielt für einen Augenblick inne, wurde etwas nachdenklich und beendete dann seine Wehklage mit einem Wort, er sprach leise: "Ich starb des Todes."


Verwendete Literatur:

Georg Burckhardt: Das Gilgamesch - Epos

Sören Kierkegaard: Entweder - Oder


 éñá

 
zum Teil I


 
 
 
 
 
 

 

 

 

 

 


 

Jupiter:  Ich bin nicht dein König, unverschämter Wurm. Wer hat dich denn geschaffen?

Orest: Du. Aber man durfte nicht den Fehler machen, mich frei zu schaffen.

Jupiter: Ich habe dir deine Freiheit gegeben, damit du mir dienst.

Orest: Das ist möglich, aber sie hat sich gegen dich gekehrt, und wir können nichts dafür, weder der eine noch der andere. 

Jupiter: Allerdings! Das ist die Entschuldigung.

Orest: Ich entschuldige mich nicht.

Jupiter: Wirklich? Weißt du, dass sie sehr nach einer Entschuldigung aussieht, diese Freiheit, deren Sklave zu sein du behauptest?

Orest: Ich bin weder Herr noch Sklave, Jupiter. Ich bin meine Freiheit! Kaum dass du mich geschaffen hast, habe ich dir schon nicht mehr gehört.
 
 aus:  J. P. Sartre: Die Fliegen